Welche Wut und welche Angst?

von Ole Gans 2008, überarbeitet Mai 2014

Es geht hier um die Frage: Welche Wut benötige ich im echten Kampf (also kein Kampfsport oder Wettkampf), wie ist diese beschaffen, welche Angst benötige ich dabei und wie ist diese beschaffen?

Schon Bruce Lee unterteilte zwei Arten Wut:

  1. Die ‚weiße Wut‘, bei der der Kämpfer innerlich ruhig, gelassen, wachsam, willensstark, motiviert, bei klarem Verstand und ohne
    überflüssige Bewegungen, Gedanken und Gefühle vorgeht.
  2. Die ‚rote Wut‘ oder die Vorstufe des Zornes, die den Kämpfer wild und fast blind draufschlagen lässt, völlig unkontrolliert, ohne
    Verstand, Vernunft, Intuition und Inspiration, mit vielen überflüssigen Bewegungen und körperlich und gedanklich (geistig, auch
    gefühlsmäßig) verkrampft.

Die ‚rote Wut‘ brauchen wir nicht weiter zu erwähnen, denn diese ist für jeden echten Kampf total unbrauchbar und muss von jedem wirklich kämpfen können wollenden, realen Kampfkünstler oder Krieger absolut vernichtet werden! Sie führt nur zu Fehlern, zur Niederlage und zu ungewollten kriminellen Handlungen. Durch die rote Wut landete ich auch im Gefängnis, weil ich zwei Typen totschlug.

Der Kämpfer mit der ‚weißen Wut‘ ist schon ein richtiger Krieger, wie einer der noch echten Samurai vor mehreren hundert Jahren. Er hat seine Gedanken und Gefühle völlig unter Kontrolle. Er ist souverän und gelassen. Nichts kann ihn erschütternd. Niemand kann ihn beeindrucken, überraschen oder täuschen.

Er lauert nur auf den richtigen Moment, um den ihn angreifenden Gegner schlagen oder töten zu können. Diesen Moment erkennt er perfekt durch seine Intuition und Inspiration, die er sich durch Entsagung, Abgeschiedenheit und Herz-Meditation angeeignet hat. Seine neuen Ideen erhält er direkt aus seinem Gottesfunken im seelischen Herzen innerhalb des Fleisch-Herzens, den er ebenfalls durch Herz-Meditation und durch gutes Leben und Verhalten im Sinne von uneigennütziger Liebe-Tätigkeit erschlossen hat.

Seine Gedanken sind still, in ihm herrschen nur die folgenden Tugenden und Gefühle:

  1. Freude und Motivation. Er ist besonders in einem Stressfall oder Kampf ganz in sein Herz versunken und freut sich über das, was da nun geschehen wird!
  2. Bewusst die ganze Zeit des Kampfes willentlich (aus dem frei entscheidenden Wollen und dem Gottesfunken) gehaltene Willensstärke, die
    • a. die Freude in ihren Grenzen hält und nicht zu Übermut, Spielerei oder Gleichgültigkeit werden lässt und

      b. in jedem Moment in einer Art Explosion in einen Angriff oder auch einer Abwehr entladen werden kann und werden wird.

  3. Souveräne und gelassene innere und auch äußerliche Ruhe, bei totaler Wachsamkeit, die beide durch nichts gestört werden können und in
    denen der Kämpfer wie auf einem ruhigen Wasserspiegel alles Wahre und Richtige abgespiegelt erkennen kann (jede Unruhe und Nervosität
    verwischt durch die Wellen auf dem Wasserspiegel das Abbild der Wahrheit und macht es unkenntlich in der eigenen Gesamt-Seele).

Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, dass ein solcher Kämpfer – wie ich mich auch selbst erlebt habe – nahezu unbezwingbar ist. Nur, wenn ihn jemand in rote Wut oder Zorn, in Nervosität oder zum Nachdenken bringen könnte durch irgendeinen Trick, wäre seine Überlegenheit gebrochen.

Ein aggressiver, wütender oder sogar zorniger, überschäumender Aggressor mit rotem Gesicht und kaum noch haltbarer Angriffsgier ist dagegen leicht zu schlagen, wenn man selbst ruhig und willensstark bleiben kann. Er rennt dann garantiert in seine selbst gebaute Falle.

Doch die meisten Leute haben aus Unwissenheit Respekt und sogar Angst vor solchen roten Wüterichen. Dabei sind die in Wahrheit lächerlich und schwach. Meist sogar noch feige. Denn die rote Wut verschwindet zu schnell, oft schon nach 10 bis 30 Sekunden, und dann fehlt dem Ex-Wüterich jede Energie, jeder Wille und er wird schwach und ängstlich.

Nur die weiße Wut kann nach genügender Übung über einen sehr langen Zeitraum gehalten werden und liefert die enorme Energie aus dem Gottesfunken, die ein echter Kämpfer dann auf seine Gegner in Form von Angriffen übertragen kann.

Ich habe sehr wenige Leute kennen gelernt, die die weiße Wut beherrschten. Es waren eigentlich nur zwei bekannte Schläger in einer Großstadt und dann noch Dirk Nelson und seine AWDO-ETIW-Kämpfer oder -Schläger. Denen ist es, genau wie mir, egal, ob sie vor einem 200 kg-UFC-Kämpfer, vor einem bewaffneten Gegner oder vor 5 Leuten stehen, sie kommen nicht aus der Ruhe und aus ihrer weißen Wut, die ja eigentlich wachsamste und gelassene Willensstärke ist!

Und um das zu erreichen benötigt man entweder sehr viel echte Kampferfahrung draußen auf der Straße, wie man so sagt (denn es kann auch irgendwo ‚drinnen‘ knallen), oder ein ganz ausgeklügeltes Unterrichts-Konzept, oder BEIDES, wie es z. B. die AWDO bzw. Dirk Nelson hat, dessen Alive Wing Dchun-Konzept den echten Kampf zu 99 % ersetzen kann, es fehlt nur noch das Fremde eines Gegners. Letztendlich kann man sich heutzutage auch nicht mehr jede Woche drei Mal prügeln, ohne ins Gefängnis zu kommen, das war früher noch anders, weil da aus Ehre selten die Polizei gerufen wurde, aber auch etwas fairer, vor allem fast immer ohne Waffen, gekämpft wurde.

Irgendein Training in irgendeinem eingegrenzten und unfreien Kampfkunst-Stil kann den echten Kampf nicht durch ein paar Runden Sparring mit Schutzausrüstung ersetzen, auch wenn mit Vollkontakt voll drauf gehauen wird! Das ist Blödsinn, egal ob es Boxen, Kickboxen, Jiu Jitsu, Wing Tsun, Karate, Judo, Taekwon Do, Krav Maga, Kali, Thai Boxen, Ving Tsun, Wing Chun oder sonst irgendwas ist. Kein Kampfsportler, auch nicht die UFC-, MMA- und K1-Kämpfer, hat ECHTE Kampferfahrung! Im echten Kampf sieht alles ganz anders aus, das habe ich dutzende Male erlebt!

Du weißt nicht, wer der andere ist, was er kann, wie abgebrüht und wie brutal er ist, und ob er dich vielleicht sogar töten will! Und niemand ist dabei, der dir hilft, kein Arzt, kein Trainer, nichts! Du stehst mit deinem ganzen, kleinen, beschissenen Leben allein da und sollst jetzt ein anderes Leben, das vielleicht den absoluten Kampfeswillen, die totale Erfahrung und die schlimmste Brutalität hat, kampfunfähig schlagen.

Dabei kann es zu Schmerzen kommen, die du noch nie gehabt hast. Knochen können brechen, Blut kann spritzen, es kann laut geschrien werden und der andere kann auch noch jederzeit eine Waffe ziehen. Und hier kommen wir zwischendurch kurz zu dem Thema ANGST.

ANGST ist VOR dem Kampf zu einem ganz kleinen Maß sogar manchmal nötig, um das Adrenalin zu fördern (siehe mein Schreiben ‚Ole Gans_Unterschiede zw. Angst, Schreck, Panik und Zorn‘ und mein Buch ‚Ich – Schläger‘). Jedes Übermaß an Angst ist schädlich und führt zur Niederlage. Sobald der Kampf im Start ist oder läuft, verschwindet beim echten Kämpfer oder Krieger jede Angst. Bleibt sie, ist es kein echter Kämpfer, nein, gar kein Kämpfer! Dann muss er eben noch üben und verlieren.

Und zum Üben noch ein letztes Wort: Ein Unterrichts-Konzept, das einen ECHTEN Kampf wirklich zu 99 % ersetzen soll (das restliche 1 % ist wie gesagt das Fremde an einem echten Gegner), muss in verschiedenen Einzelübungen insgesamt den echten Kampf darstellen und ersetzen.

  1. Eine Übung muss die Gedankenkontrolle und die Grundgedanken vor dem Kampfbeginnen beinhalten, wofür nicht nur einsuggerierte Grundprinzipien, sondern auch Neben-Übungen für die Vorkampf-Phase, für Meditation, Selbstkritik, Selbstbeherrschung und Abgeschiedenheit wichtig sind,
  2. eine zweite muss das Durchhaltevermögen und die Willensstärke schulen,
  3. eine dritte muss die Schlagschnelligkeit und entspannte Schlagstärke trainieren und die nötige Kondition,
  4. eine vierte muss die Schlagtechniken beinhalten,
  5. eine fünfte die ausgeklügelten Schlagkombinationen,
  6. eine sechste die Schritttechnik und den Stand, das Gleichgewicht,
  7. eine siebente die Abhärtung der Knöchel und auch des Schädelkranzes,
  8. eine achte die eventuellen Waffen, usw.

Alles andere ist und wäre Unsinn! Wer davon träumt, dass das tägliche Drillen und Pauken von Techniken, Tricks, Kombinationen, roter Wut und ein durchtrainierter Körper einen guten, echten Kämpfer ausmachen, der spinnt und hat keinerlei Ahnung von der Wahrheit!
Und ich kenne im Moment nur meine eigene Kampfkunst-Schule und die AWDO, in der man sich wirklich und funktionierend auf einen echten Kampf vorbereiten kann, sonst NICHTS! Aber da wird noch nicht mal jeder angenommen, sondern schön aussortiert, wer die richtige innere Einstellung hat, das finde ich gut.

Jeet Kune Do (JKD) ist mit Bruce Lee gestorben und niemand hat mehr das Recht, irgendwas mit diesem Namen zu unterrichten, schon gar nicht Dan Inosanto oder einer seiner Spießgesellen (Helfershelfer). Bruce Lee hatte ihm verboten seine ‚Stil’ Jeet Kune Do zu nennen, weil Dan sich keinen ‚Kampf ohne zu kämpfen’ ohne stilistische Eingrenzungen vorstellen konnte. Dann ließ er noch seinen anderen Stil unter ‚Jun Fan’ in China unter Kung Fu eintragen. Wie lächerlich! Da geht’s doch auch nur um Geld.

Die Gedanken- und Gefühlswelt muss als erstes beherrscht werden. Und dafür müssen alle sinnlichen Begierden und Gewohnheiten weg, sonst funktioniert das nicht. Deshalb heißt es, dass man zuerst sich selbst, d. h. die eigenen Schwächen und Gelüste des substantiellen Seelen-Ichs, besiegen muss, bevor man einen anderen Menschen als Gegner besiegen kann!

In diesem Sinne viele Grüße an die ganzen Kampfkunst-Spinner, -Tänzer, -Träumer, -Bluffer und Kunst-Kämpfer, die es heute so gibt. Hofft nur weiter, dass Euch kein Ole mit seiner WEISSEN WUT über den Weg läuft und ihr ihn anmacht, sonst habt ihr ausgeträumt und geht in den neuen Traum der Wahrheit über, wenn ihr wieder voller Angst und Schmerzen wach werdet…

Ole Gans

Ende